Als Züchter hat man lange überlegt und sorgfältig abgewogen, bevor man die Stute dem Hengst zugeführt hat.
Manche wachen nächtelang im Stall, um da zu sein, wenn ein neues Pferdeleben dann ins Stroh fällt. Ein Pferdeleben in unserer heutigen Zeit beginnt zumeist im Stall unter der Obhut des Menschen.
Und dann ist es da, dieses unförmige, nasse, glitschige Etwas: nackt, unbeholfen, wehrlos. Ein Augenblick, den man nie vergisst. Dies ist der Moment, wo man andächtig zurücktritt, wo sich die
ersten Spannungen lösen, wo man Mutter und Kind sich selbst überlässt. Das erste leise, kaum hörbare, zärtliche Wiehern der Stute, wenn sie sich zum ersten Mal zu ihrem Fohlen wendet, wird man in dieser
Art erst wieder bei der Geburt ihres nächsten Fohlens erleben dürfen.
Vergessen ist die Enge eines Stalles.
In der freien Natur wären beide jetzt von einem Schutzwall von Stutenleibern
umgeben, die Köpfe zusammengesteckt, die Kruppen nach außen, um jeden Eindringling zu vertreiben.
Im Stall nun herrscht bei den Artgenossen eine freudige Unruhe, der Urinstinkt des Beschützens.
Die Unruhe legt sich schnell. Der vertraute Mensch ist da. Das ist gut.
Aber erst wenn das neue Leben auch mit sanfter Hilfe von Mensch und Stute auf seinen wackeligen Beinen steht, zum ersten Mal
getrunken hat und die Stute alle Anstrengungen der Geburt hinter sich gelassen hat, kehrt das wahre Glück im Leben eines Pferdezüchters ein.
Welch`eine Verantwortung.
Die ersten Monate der
Pferdekinder in der Obhut der Mutterstuten sind wohl die entscheidensten im Leben dieser jetzt tolpatschig, kleinen Grazien mit Krauselhaar und Stummelschwanz und riesigen, glasklaren, neugierigen Augen.
Sie lernen jetzt von der Mutter, machen ihre ersten schönen und weniger schönen Erfahrungen, werden selbstbewußter, weil die unschönen Erfahrungen gar nicht so schlimm waren. Das Selbstbewußtsein wächst,
je kräftiger man wird. Laufen, sich mit den Altersgenossen raufen, spielen, schlafen, trinken: das am Zaun zu beobachten, bedeutet in die Seele dieser Kleinen schauen zu dürfen.
Nach einigen
Monaten lockert sich das enge Verhältnis Stute - Fohlen. Die Stute, oftmals wieder tragend, hat wieder mit sich selbst zu tun. Gleichzeitig werden die Bande zu den Altersgenossen stärker. Freundschaften
vertiefen sich. Das Absetzen des Fohlens von der Mutter oder umgekehrt wird halb so schlimm, für beide. Keiner ist allein. In der freien Natur werden die flegelhaften Quälgeister abgestoßen, nicht selten
auch mit rabiater Gewalt.
Die Zeit im Leben eines Pferdes, in der Mutter und Kind ganz und gar innig zueinander gehören, ist kurz. Der Ernst des Lebens beginnt. Jetzt, wo der Mensch wieder
einschreitet und Fohlen und Stute trennt, ist seine Verantwortung für das Geschöpf ungleich gewachsen.
“Wo der Mensch das Fohlen von der Stute trennt, ohne ihm dafür die Gesellschaft von
Artgenossen zu geben, wo er ein junges Pferd zum Alleinsein verurteilt, da vergeht er sich an der Seele des Tieres. Die Qual der Trostlosigkeit eines verlassenen Fohlens ist schlimmer als rohe Schläge.”
- Zitat von Hans-Heinrich Isenbart
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