Mit keinem Pferd kann man untrainiert auf lange Strecke gehen. Jutta Thörner, die mit ihren
Vollblutaraberstuten in den USA erfolgreich Distanzritte bestreitet, gibt einige Tips zur Vorbereitung von Distanzpferden.
Das Endprodukt des Konditionstrainings ist ein Pferd, das stark und ausdauernd ist und jahrelang die geforderte Arbeit absolvieren kann, ohne Schaden zu
nehmen. Das Hauptaugenmerk ist beim Training nicht auf die Muskelbildung zu legen, sondern auf die Stärkung der Knochen des Pferdes. Muskeln nehmen am schnellsten an Kraft und Umfang zu und geben daher
oft den äußeren Eindruck eines durchtrainierten Pferdes. Knochen und Sehnen erreichen dagegen sehr viel langsamer und weniger sichtbar die nötige Stärke und Festigkeit. Knochen sind erst ausgewachsen
voll belastbar, das heißt im Alter von sieben bis acht Jahren. Ein leichtes bis mittleres Wettkampfprogramm mit bis zu fünf Ritten zwischen 25 und 50 Kilometer kann von den meisten Pferden ohne Schaden
überstanden werden. Sechs bis zehn Ritte im Jahr mit einer Länge von 50 und 60 Kilometern kann man in der Regel nur von einem mehr als acht Jahre alten Pferd fordern.
Es ist erwiesenermaßen
möglich, durch systematisches Training die Mineralzusammensetzung der Knochen zu verändern! Ein Knochen ist wie ein Schwamm aus Proteinen, die Löcher gefüllt mit Mineralien, die Stärke und Form
bestimmen. Der unkonditionierte Knochen hat eine niedrige Mineralzusammensetzung; ein Schnitt durch den Knochen zeigt eine flache Form und er ist somit relativ schwach. Ein konditionierter Knochen ist
runder, hat eine starke Mineralzusammensetzung und wird so besser harter Arbeit widerstehen. Diese Konditionierung erreicht man durch ein Trainingsprogramm, welches zwei bis drei Jahre dauert.
Voraussetzungen für die Konditionierung
Zu den grundsätzlichen Voraussetzungen gehören zunächst einmal die richtigen äußeren Bedingungen, wie eine ausgewogene Fütterung,
regelmäßiger Hufbeschlag und eine artgerechte Haltung mit täglichem Auslauf und Sozialkontakten.
Während des Trainings wird das Pferd mit den verschiedensten geländeschwierigkeiten vertraut gemacht. Es
empfiehlt sich ein Wechsel von hügeligem, flachem, hartem und weichem Boden in den unterschiedlichen Gangarten.
Ruhetage sollten im Training eingeplant werden. Die körperliche Belastung verürsacht
nämlich Schäden im Bereich mikroskopischer Frakturen, gezerrter Muskeln, Sehnenfasern u. ä.. Die vom Körper selbst ausgeführten Reparaturen dieser trainingsbedingten Veränderungen produzieren stärkere
und belastbarere Teile. Die Ruhezeit ist gleichzusetzen mit Reparaturzeit.
Der Reiter nimmt bei jedem Ritt die Ruhewerte (vor dem Reiten) , die Arbeitswerte (während des Ritts) und die
Erholungswerte (nach dem Ritt). Anhand dieser Zahlen sind der Trainingszustand und der Trainingsfortschritt des Pferdes festzustellen. Vor dem Reiten haben wir beispielsweise einen Puls von 40 und eine
Atmung von 20, also ein Verhältnis von 2:1. Diese Werte werden von dem ruhigen, entspannten Pferd genommen. Die Arbeitswerte, gemessen während einer Pause, können während des Rittes bei einem Puls von
100 und einer Atmung von 70 oder 70 in der erwarteten Spanne liegen. Nach dem Ritt sollten diese werte innerhalb von 30 Minuten auf Puls 60 und Atmung 30 zurückgehen, was wiederum im Verhältnis 2:1
steht. Dieses Beispiel ist lediglich ein Anhaltspunkt, die individuellen Werte eines Pferdes zu ordnen. Durch die Führung eines Logbuches kann man die Verbesserung der Arbeitswerte und der Verkürzung der
Erholungswerte verfolgen. Dank dieser Erfahrungswerte ist es dann während des wettkampfes leichter, das Tempo zu bestimmen.
Vor jedem Training sollte man das Pferd aufwärmen, z. B. durch
Streckübungen der Gliedmaßen, des Nackens und des Halses mit anschließendem flotten Schrittreiten über ein bis zwei Kilometer. Ein Pferd braucht normalerweise sieben bis acht Kilometer, um zu
wettkampfmäßiger Form aufzulaufen.
Richtlinien für den Trainingsaufbau
Man sollte drei bis fünf Tage in der Woche trainieren, wobei sich das Reiten mit Ruhe, Spiel und
leichter Arbeit abwechselt.
Zu Beginn des Trainings wird Schritt geritten, etwa acht bis neun Kilometer an einem Stück, drei- bis viermal die Woche. Sind auf diese Weise 45 bis 60 Kilometer
absolviert worden, wird der Trab mit einbezogen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit sollte bei Tempo 6-7 liegen. Die Länge der Strecke wird auch hier bis auf acht bis zehn Kilometer ausgedehnt. Wird dies
gut geschafft, so wird die Distanz vergrößert, nicht aber das Tempo. Das heißt: zunächst wird die Ausdauer trainiert, nicht die Schnelligkeit. Die ersten sechs Monate wird Tempo 6 geritten. Kann das
Pferd probelmlos 30 - 40 Kilometer in diesem Tempo schaffen, erhöht man das Tempo auf 5 und reitet kurze Strecken mit Tempo 4. Jetzt kommt auch Galopp (zwei bis fünf Kilometer) dazu. Im Sommer wird auch
in der heißesten Tageszeit geritten, mit zurückgenommenem Tempo, damit sich das Pferd an diese Anstrengung Gewöhnt.
Man sollte sich vergegenwertigen, daß jede Lahmheit, Überbeinbildung,
geschwollene Beine, Muskelkater, Steifheit oder Unlust des Pferdes ein Hinweis darauf ist, daß der letzte Trainingstag oder -block das Pferd überfordert hat. Die notwendige Schlußfolgerung für das
Training lautet: zurück mit den Anforderungen und mit dem Tempo und intensiver das Prinzip der langen Strecken in mäßigem und konstantem Tempo befolgen. So sind die besten Voraussetzungen getroffen für
ein Trainingsprogramm, das zum Erfolg führt.
- Jutta Thörner
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